Die Angst zu scheitern

Die Angst zu scheitern

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    Viele Führungskräfte haben Ängste. Für viele wird die Luft beim Aufstieg der Karriereleiter dünner. Der Druck wird häufig verinnerlicht und verselbständigt sich.

    Wer nur die Fassade sieht, sieht häufig nur den Status und die Privilegien, die mit bestimmten Rollen verbunden werden.

    Die wenigsten Menschen haben eine Idee, was diejenigen geleistet haben, um dahin zu kommen. Wobei andererseits doch auch viele den Druck sehen und wahrnehmen, den sich viele Führungskräfte machen. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Lust Führungsverantwortung zu übernehmen mittlerweile nicht besonders verbreitet ist.

    Hinter der Führungs-Fassade gibt es auch Gefühle, die man als Führungskraft häufig versucht zu verdrängen. Denn schließlich will man nicht mit Schwäche in Verbindung gebracht werden. Nachvollziehbar.

    Da die Zeiten eher rauher geworden sind ist auch die Angst vor dem Scheitern groß bzw. noch grösser geworden. Mir begegnet dieses Thema in vielen Begegnungen mit meinen Kunden im Executive Coaching.

    Daher heute einmal ein Blick auf die Angst zu scheitern

    Vertuschung hilft nicht

    Da es in Deutschland besonders verpönt ist Fehler zu machen, will keiner das Risiko eingehen, als Versager zu gelten. Wo gehobelt wird, da fallen nun mal Späne. Und nobody is perfect. Damit will ich Fehler nicht entschuldigen. Es sollte immer das Ziel sein, möglichst wenig Fehler zu machen. In einigen Branchen und Jobs ist das lebensnotwendig, denken wir nur an Luftfahrt oder den OP Raum.

    Die Frage ist hier jedoch eine andere: nämlich, wie gehe ich denn damit um, wenn ich einen Fehler gemacht habe.

    Stolpern, hinfallen und wieder aufstehen. Ja. Aber nicht vertuschen.

    Ich kenne Führungskräfte, die das auch können. Viele Führungskräfte haben jedoch nicht den Mut zuzugeben, wenn sie einen Fehler gemacht haben.

    Zu einer wirklichen Führungskompetenz gehört allerdings unbedingt, wie eine Führungskraft mit Schwierigkeiten umgeht. Denn Schönwetter-Capitain kann fast jeder sein.
    Gerade habe ich aktuell ein schönes Beispiel dafür. Eine Führungskraft mit einigen Jahren Erfahrung hatte bisher nur die goldenen Seiten erleben dürfen: erfolgreiches Unternehmen, Führungsrolle im Sales, alles lief immer rund. Nun plötzlich haben sich die Parameter geändert. Die Führungskraft muss plötzlich mit einigen Schwierigkeiten umgehen, die es vorher nicht gab.
    Da hilft weder Mikromanagement noch der Versuch, allen Stolperfallen aus dem Weg zu gehen. Denn sonst werden damit direkt die nächsten Probleme geschaffen.
    Wir haben daher nun an einigen Themen zu arbeiten, als allererstes an der Art und Weise, wie mit dem Druck umgegangen wird.
    Wer den Druck von außen internalisiert, macht sich selbst schließlich zuviel Druck. Das passiert sogar dann, obwohl der Arbeitgeber diesen Druck nicht macht. Wer sich selbst aber zuviel Druck macht, verliert die Klarheit und die innere Ruhe um Entscheidungen zu treffen. Richtige Entscheidungen zu treffen. Das ist nicht neu.

    Unterschiedlicher Umgang in verschiedenen Kulturen

    Ich will zumindest kurz an dieser Stelle darauf hinweisen, wie unterschiedlich in den verschiedensten Kulturen der Umgang mit dem Thema „Scheitern“ ist.

    In den USA wird Scheitern oft als Teil des Lernprozesses angesehen. Es wird häufig betont, dass man aus Fehlern lernen kann und dass Scheitern eine Gelegenheit zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung darstellt. Nicht selten können wir daher amerikanische Führungskräfte sehen, die voller Stolz und voller Überzeugung erklären, dass sie die Pleite ihres Unternehmens nicht entmutigt hat, sondern dass sie daraus gelernt haben und nun umso mehr noch den Drive haben, einen neuen Anlauf zu wagen. Solche Aussagen kennen wir aus Deutschland kaum.

    In einigen asiatischen Kulturen hingegen kann Scheitern noch stärker als in Deutschland stigmatisiert werden. Denn Werte wie Harmonie, Gemeinschaft und das Vermeiden von Scham bzw. Gesichtsverlust sind hier besonders wichtig. Das Scheitern kann als Verlust von Ansehen oder als Belastung für die Familie oder Gemeinschaft wahrgenommen werden. Ich erinnere mich noch, als ich für einige Jahre Flugbegleiter im Lufthansa Flight Training in interkultureller Kompetenz trainieren durfte. Es kam zum Beispiel regelmäßig vor, dass asiatische Flugbegleiter aufgrund eines bestimmten Vorfalls an Board unbedingt vermeiden wollten, dass ihre Familien in der Heimat davon erfahren.

    Insgesamt zeigt sich, dass die Wahrnehmung von Scheitern stark von kulturellen Werten, Normen und sozialen Strukturen abhängt. Das ist übrigens ein wichtiges Thema bei der Integration von ausländischen Fach- und Führungskräften in Unternehmen, das berücksichtigt werden muss.

    Wozu führt unterdrückte Angst

    Wer seine Angst negiert und wegschiebt, wird sich selbst damit ausbremsen. Denn auch Angst ist eine Energie, die uns dann aber nicht mehr zur Verfügung steht, um etwas Konstruktives damit anzufangen. Die Angst vorm Scheitern führt daher viel zu häufig dazu, dass Führungskräfte sich selbst aushebeln. Entscheidungen werden nicht getroffen, sondern auf die lange Bank geschoben. Man versucht sich die Realität so hinzubiegen, dass sie in der eigenen Wahrnehmung passt bzw. die eigene Identität nach aussen (und im inneren Bild) gewahrt bleibt.

    Man muss sich nur die aktuellen politischen Akteure in Berlin anschauen, da sehen wir diese Verzerrung an Wahrnehmung sehr plakativ. Die Angst vor dem Scheitern. Deutlicher geht es kaum. Dort herrschte vor den Wahlen vermutlich vor allem die Angst davor, seinen Bundestagssitz zu verlieren. Gerade bei den zahlreichen Politikern, die über keinerlei Ausbildungen und Erfahrungen in der Wirtschaft verfügen, ist diese Angst vermutlich vorherrschend.

    In Unternehmen (und mittlerweile besonders in der Politik) gibt es ja auch das altbekannte Peter Prinzip. Das Peter Prinzip besagt, dass Menschen so lange befördert werden, bis sie eine Position erreichen, für die sie inkompetent sind.

    Vom Peter Prinzip einmal abgesehen gibt es in Unternehmen jedoch viele kompetente Führungskräfte, die schlichtweg nicht den Mut und nicht die Erfahrung haben, in schwierigen Situationen bzw. in gescheiterten Lösungsansätzen eine Chance zu sehen.

    Dadurch wird die Angst vor dem Versagen genährt und damit größer.

    Es führt zudem dazu, dass Führungskräfte immer weniger dazu neigen, Verantwortung zu übernehmen. Dies lässt sich nicht nur bei Führungskräften sehen, die bereits in einer Führungsrolle sind. Sondern lässt sich auch daran erkennen, dass es immer weniger Menschen gibt, die Lust haben eine Führungsrolle zu übernehmen. Wobei hier dann noch weitere Aspekte ins Spiel kommen.

    To make a long story short: unterdrückte Angst:

    • verstärkt die Angst
    • verstärkt den Druck und internalisiert ihn
    • führt zu Tunnelblick
    • hemmt Entscheidungen
    • verzerrt die Wahrnehmung
    • führt zu ungesunden Kompensationsstrategien
    • blockiert die eigene Energie
    • Entwicklung einer reifen Führungspersönlichkeit kann so nicht geschehen

    Wie können Führungskräfte eine positive Einstellung zum Scheitern entwickeln

    Hier einmal ein paar ausgewählte Aspekte, die Führungskräfte anwenden können, um konstruktiv mit der Energie des Scheiterns umzugehen:

    • Selbstverantwortung übernehmen
      Durch eigenverantwortliches Denken und Handeln kann ein Scheitern analysiert werden. Und zwar so, dass die Ursachen für Fehler erkannt werden und somit für die Zukunft anders agiert werden kann. Selbstverantwortung bedeutet vor allen Dingen, dass sich jede Führungskraft über den eigenen Beitrag am Scheitern klar wird. Genauso wichtig ist es zu erkennen, welche Aspekte der verschiedenen Einflussfaktoren des Scheiterns nichts mit der Führungskraft zu tun haben. Diese klare Analyse und Unterscheidung hilft loszulassen, zu akzeptieren und nach vorne zu schauen und vor allem auch Schuldgefühle zu reduzieren.
    • Realistischer Optimismus
      Neben der Analyse und der Erkenntnis welcher Teil an Verantwortung bei mir als Führungskraft liegt, braucht es unbedingt realistischen Optimismus. Kein Chaka, sondern einen objektiven Blick auf sich selbst, die eigenen Stärken. Aber natürlich auch auf die Organisation, in der man tätig ist. Wo liegen hier die Stärken und wo die Herausforderungen. Schönreden hat noch nie geholfen. Es ist nur wichtig, den Fokus wieder baldmöglichst auf das Hier und Jetzt und die nächsten Schritte und Projekte zu setzen.
    • Selbstwirksamkeitserwartung stärken
      Eine ausgeprägte Selbstwirksamkeitserwartung wirkt bei Führungskräften doppelt. Denn zum einen müssen Führungskräfte dazu in der Lage sein sofort wieder aufzustehen, sich zu schütteln und weiterzugehen. Das heißt sie verfallen nicht in irgendeine Schockstarre. Genau das wiederum sehen Mitarbeiter und fühlen sich angespornt. Genau diese Energie überträgt sich. Daher ist hier die Vorbildfunktion einer Führungskraft nicht zu unterschätzen.
    • Fehler als Lernchance betrachten
      Ich weiß – das ist schwierig für viele. Speziell diejenigen, die gerne alles richtig machen wollen. Es geht auch nicht darum, seine Werte zu verändern. Führungskräfte tun jedoch gut daran, Scheitern als Teil eines Entwicklungsprozesses zu betrachten. Sowohl bei sich selbst, als auch bei ihren Mitarbeitern. Erst wenn wir die Fehler nicht ablehnen, können wir diese auch integrieren in unsere Erkenntnisse und entsprechend wachsen.
    • Offene Kommunikation fördern
      Idealerweise ermöglicht eine Führungskraft ein Umfeld, in welchem sich Mitarbeiter psychologisch sicher fühlen. Dies ermöglicht eine Kultur, in der Teammitglieder offen über Fehler sprechen können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.
      Zugehörigkeitsgefühl und Rückhalt in einem Team gehören zu den wichigsten Faktoren, um das Gefühl und die Angst vorm Scheitern zu überwinden. Übrigens: man kann nicht einfach mal per decrete mufti „Zusammengehörigkeit“ verordnen, wenn gerade etwas schief gelaufen ist und man als Führungskraft möchte, dass alle an einem Strang ziehen. Ein Team muss eben vorher bereits entsprechend aufgebaut sein mit Kompetenzen, die ein Team auch handlungsfähig macht für kritische Situationen.

      In der Regel fördert dies dann auch Kompetenzen wie Kreativität und Risikobereitschaft und damit auch die Übernahme von Verantwortung.

    • Ziele anpassen
      Nicht selten sind Ziele in Unternehmen sehr hochgesteckt und nicht selten sind sie nicht besonders realistisch. Auch das ist gerade in Krisenzeiten immer wieder zu beobachten und bekomme ich aus allen Ecken zu hören. Anstatt nur auf zu hoch gesetzte Ziele zu fokussieren, ist es sinnvoll, dass Führungskräfte auch den Prozess und die Anstrengungen wertschätzen. Das hilft, den Druck rauszunehmen und eine positive Einstellung zu Herausforderungen zu fördern. Ausserdem ist auch hier häufig ein Mehr an Kommunikation, gemeinsamer Reflektion und Sparring zwischen Mitarbeitern und Führungskraft sinnvoll. Und vor allen Dingen müssen sich Führungskräfte klar machen:
      Scheitern kann man nur an zu hoch gesteckten Zielen.
    • Perspektivenwechsel schaffen
      Idealerweise verfügen Führungskräfte über die Kompetenz Perspektivenwechsel erzeugen zu können. Erfahrungsgemäß ist das nicht immer der Fall. Wer das kann, hat auch die Möglichkeit, Mitarbeiter aus der Problemvermeidung rauszuholen. Wer diese Kompetenz als Führungskraft nicht hat, dem empfehle ich auf alle Fälle, dies durch ein professionelles Coaching zu lernen. Ein professioneller Coach hat die Methodenkompetenz dafür und gibt diese weiter.

    Im Idealfall bringen Führungskräfte diese Kompetenzen mit bzw. haben diese im Laufe ihrer beruflichen Karriere entwickelt. Dann können sie per se besser mit dem Thema Scheitern umgehen als diejenigen, die das nicht gelernt haben.

    Vor allem Führungskräfte, die bisher wenig Erfahrung mit kritischen Situationen, Krisen und Enttäuschungen hatten, haben hier häufig besonders viel Respekt vor dem Thema. Hier ist insbesondere die Lebenskompetenz der Führungskräfte gefragt, um mit der eigenen Erfahrung des Scheiterns und der des Teams umgehen zu können.

    Gefällt nicht jedem, aber ist nun mal so:

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