Ob wir belastende Situationen gut meistern, hängt von unserer psychischen Widerstandskraft ab. Manche Menschen bewahren trotz widriger Umstände die Willenskraft und Motivation und reagieren auf Krisen mit Bedacht und Zuversicht. Besonders in der Berufswelt mit zunehmendem Informationsfluss, ständigen Veränderungen und erhöhtem beruflichen Druck ist dies eine Kernkompetenz. Forscher nennen diese „Resilienz“.
Vielleicht denken Sie nun, Resilienz sei nur mal wieder ein Modebegriff. Alter Wein in neuen Schläuchen. Doch so ist es nicht.
Dass das Thema in den letzten Jahren populärwissenschaftlich so beansprucht wurde, führt häufig zum Trugschluss, dass Resilienz bei jedem erreichbar ist. Resilienz als Allheilmittel, mit dem es möglich ist, alles auszuhalten. Darum geht es jedoch nicht. Bei der Beschäftigung mit dem Thema möchte ich Sie bitten, dies zu berücksichtigen. Es ist kein Allheilmittel. Aber: Es ist grundsätzlich so, dass man „Widerstandskraft“ trainieren kann. Und dies ist umso mehr heute in diesen volatilen Zeiten wichtig.
Was ist Resilienz?
Eigentlich stammt der Begriff aus der Materialwirtschaft und bezeichnet Stoffe, die immer wieder in ihre ursprüngliche Ausgangssituation zurückkommen.
In der Psychologie gibt es de facto zwei Antworten auf diese Frage: eine einfache und eine komplizierte. Ihnen wird wahrscheinlich bereits beim Prolog bewusst geworden sein: Resilienz ist eine besondere Stärke, Belastungen auszuhalten. Damit ausgestattet mögen Sie zwar auch hinfallen, aber Sie stehen eben schnell wieder auf und gehen dann weiter. Resilient sind Sie, wenn es Ihnen gelingt, in allem Übel auch noch ein Körnchen Gutes zu finden. Soweit zur einfachen Antwort.
Die etwas komplexere Antwort geht ungefähr so: Hinter der sogenannten Resilienz steckt nicht nur irgendeine geheimnisvolle Kraft. Es geht hier vielmehr um einen komplexen psychischen Mechanismus, der sich aus vielen Einzelteilen zusammensetzt.
Weshalb verfügen nicht alle Menschen über Resilienz?
Lange galt Resilienz als angeboren. Dann entdeckte die Forschung, dass die innere Widerstandskraft per se von Kindesbeinen an unterschiedlich ausgeprägt ist, selbst in derselben Familie und auch unter denselben Lebensumständen. Heute wird das Konzept „Resilienz“ als erlern- und trainierbar betrachtet.
Einen besonderen Beitrag zu dieser Erkenntnis leistete eine noch heute viel zitierte Langzeitstudie, die als Beginn der Resilienzforschung gilt. Die US-Psychologin Emmy Werner hatte über drei Jahrzehnte den Werdegang von rund 700 hawaiianischen Kindern des Jahrgangs 1955 erforscht. Etwa ein Drittel dieser Kinder wuchs in prekären Verhältnissen auf. Sie litten Hunger, wurden vernachlässigt oder misshandelt. Und das prägte auch ihr Leben als Erwachsene. Sie tranken wie ihre Eltern viel Alkohol, waren verhaltensauffällig oder hatten die Schule abgebrochen. Aber eben nicht alle. Denn überraschenderweise schaffte es wiederum ein knappes Drittel der Kinder, ihren schlechten Start unbeschadet zu überstehen. Sie entwickelten sich zu angesehenen Mitgliedern ihrer Gemeinden, und einige von ihnen studierten. Emmy Werner nannte sie „verletzlich, aber unbesiegbar“ – mit einem Wort: resilient.
Was war der Grund dafür? Wie konnte es sein, dass trotz derselben widrigen Umstände einigen das Leben gelang und anderen wiederum nicht?
Die Studie von Emmy Werner ergab noch eine Erkenntnis: Bei denjenigen, denen das Leben gelang, gab es zumindest einen Menschen, der stets zu ihnen hielt. Ein Verwandter, ein Bruder oder eine Schwester oder eine Lehrerin stand ihnen zur Seite, förderte sie, ließ sie spüren, dass sie etwas wert waren. Weitere Studien bestätigten dieses Fazit.
Mittlerweile gelten eine verlässliche Bezugsperson in der Kindheit und ein tragfähiges soziales Netz im späteren Leben als zentraler Faktor für psychische Widerstandsfähigkeit. Und heute beschäftigen sich Wissenschaftler weltweit mit der Frage, wovon es darüber hinaus abhängt, dass manche eine besonders robuste Psyche ausbilden.
„Aktuell wird Resilienz als dynamischer und lebenslanger Prozess verstanden, der im Wechselspiel zwischen Person und Umwelt erfolgt und über verschiedene Lebensbereiche und -phasen variiert“, erläutern Angela Kunzler und Kollegen vom Deutschen Resilienz Zentrum in Mainz.
Resilienz basiert auf mehreren Aspekten
Wie oben bereits genannt: Wer ein unterstützendes soziales Umfeld hat, hat bessere Chancen resilient zu sein. Allerdings gehört hierbei auch die Fähigkeit dazu, soziale Unterstützung anzunehmen.
Das erste Resilienz-Modell wurde in den 70er Jahren vom israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky entwickelt. Antonovsky prägte den Begriff „Kohärenzgefühl“ (Warum tue ich etwas), um Salutogenese und die dafür notwendige Resilienz zu beschreiben.
Wesentlich sind nach Antonovsky drei Elemente:
- Verstehbarkeit: Man kann Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Lebenserfahrungen herstellen
- Bewältigbarkeit: Man weiß mit den Erlebnissen und Geschehnissen umzugehen
- Sinnhaftigkeit: Man glaubt an einen tieferen Sinn von Schicksalsschlägen und schwierigen Erfahrungen.
In den darauffolgenden Jahrzehnten haben Psychologen verschiedene Modelle entwickelt, um den Begriff Resilienz zu erklären. Seit Beginn des 20. Jhs. ist insbesondere das Modell der „7 Säulen der Resilienz“ prägend:
- Optimismus: Der feste Glaube, dass Krisen überwunden werden können
- Akzeptanz: Schritte zur Krisenbewältigung sind erst möglich, wenn man den Tatsachen ins Auge blickt
- Lösungsorientierung: Mit Optimismus und Akzeptanz gilt es, Stress zu bewältigen und aktiv nach Lösungen zu suchen
- Die Opferrolle verlassen: sich auf seine Stärken besinnen
- Verantwortung übernehmen: Eigenverantwortung übernehmen
- Netzwerkorientierung: aktiv private und berufliche Kontakte pflegen
- Zukunftsplanung: Ziele haben und diese verfolgen
Insbesondere hat auch die Positive Psychologie betont, wie wichtig die Stärkung von Resilienz ist und seit einigen Jahren erfährt Resilienz auch und gerade im Business Coaching besondere Beachtung. Resilienz ist kein Charakterzug, sondern eine Kompetenz, die man aufbaut. Resilienz ist daher eher ein dynamischer Lernprozess.
Ins Handeln kommen
Wenn Sie jetzt nach dieser Auflistung denken „Das ist doch alles sehr theoretisch! Wie genau kann ich denn meine Resilienz stärken?“, dann ist das völlig nachvollziehbar. Und ich habe eine gute Nachricht für Sie: So schwierig ist es nicht.
Das Wichtige ist: endlich damit starten! Einfach machen! Und natürlich gilt auch hier das altbekannte Prinzip „Übung macht den Meister“. Einmal ist keinmal.
Beginnen Sie mit einfachen Übungen – und bleiben Sie kontinuierlich dran. Falls Sie sich Unterstützung wünschen, kontaktieren Sie mich gerne.
Im Folgenden will ich drei essentielle Themen herausgreifen und Sie damit zum konkreten Handeln motivieren:
1) Selbstverantwortung steigern – ausstehende Entscheidungen treffen!
Manchen Menschen fällt es leicht, Entscheidungen zu treffen, manche tun sich schwerer. Psychologische Studien weisen gerne darauf hin, dass unser Gehirn am Morgen noch frisch ist und es somit leichter fällt, Entscheidungen zu treffen.
Ganz grundsätzlich gilt: Wenn wir uns bei anstehenden Entscheidungen abhängig machen von Entscheidungen durch andere, kann Stress ausgelöst werden. Kleine Probleme werden dadurch belastender, wir verlieren an Bewegungsfreiheit und Flexibilität.
Daher: Machen Sie sich eine Liste aller Entscheidungen, die gerade anstehen (beruflich wie privat). Machen Sie es sich zur Gewohnheit, jeden Tag in mindestens einer Sache aktiv zu werden, Selbstverantwortung zu übernehmen und eine anstehende Entscheidung zu treffen. Sie werden sehr schnell merken, welch positiven Effekt dies hat.
2) Werden Sie sich Ihrer Stärken und Ressourcen bewusst! Steigern Sie damit Ihre Selbstwirksamkeit!
Fangen Sie noch heute damit an. Es gibt eine einfache Übung, mit der Sie sofort starten können.
Beantworten Sie zunächst die folgenden drei Fragen und notieren sich Ihre Antworten:
1) Welche kleineren oder auch größeren Krisen hab ich in meinem Leben bereits überstanden?
2) Was genau hab ich getan, wie hab ich das geschafft?
3) Auf welche Stärken von mir kann ich mich verlassen?
3) Nehmen Sie sich regelmäßig Auszeiten.
Wer mich kennt weiß, dass ich ein überzeugter Fan von Auszeiten bin. Daher will ich hier das Thema Auszeit explizit benennen. Wer Resilienz aufbauen will, tut gut daran, sich regelmäßig eine kreative Auszeit zu gönnen. Damit sind insbesondere kleine Auszeiten gemeint und wer die Möglichkeit hat natürlich auch größere.
Wann kommen Ihnen die besten Ideen? Beim Joggen, beim Meditieren, in der Natur, beim Gespräch mit guten Freunden oder einfach mal beim „Nichts-Tun“? Sorgen Sie gut für sich selbst! Kreative Ideen entstehen selten bei der Arbeit. Wir brauchen dafür gehirninternen Leerlauf, Müßiggang und Zeit-Wohlstand.
Und falls Sie Lust auf eine längere Auszeit haben, schauen Sie sich doch mal meinen Blog-Artikel zum Thema Sabbaticals an.
Was konkret tun Sie, um bei sich oder bei Ihren Mitarbeitern Resilienz zu stärken?