Interkulturelles coaching fit international

Wie „fit“ sind Sie auf der internationalen Ebene?

Als die FAZ vor 15 Jahren einen Artikel von mir zum Thema „interkulturelles Coaching“ veröffentlichte, erhielt ich viele interessierte Anrufe. Die Welt hat sich seitdem verändert. Wir sind globaler. Wir sind vernetzter. Scheinbar ist die Welt kleiner geworden. Sind wir dabei alle auch quasi automatisch international fit geworden?

Das Arbeiten im internationalen Umfeld zeigt: Das Thema der interkulturellen Kompetenz ist heute so brisant und aktuell wie auch vor 15 Jahren.

Vorannahmen

Vielleicht kennen Sie ja auch solche Aussagen oder ertappen sich selbst bei Gedanken wie:
– Heutzutage fliegt doch fast jeder durch die Welt
– Business ist doch so global
– Auf Konferenzen, Messen, Airports, in Hotels etc hat sich doch vieles angeglichen …

Ja, es gibt mehr „global nomads“. Und ja, es gibt mehr Menschen, die international tätig sind, mehr virtuelle Teams und mehr an internationaler Zusammenarbeit. Doch der Schein trügt sehr häufig. Denn die Globalisierung unserer Unternehmen zieht nicht automatisch eine bessere (interkulturelle) Kommunikation nach sich. Die Mißverständnisse in der interkulturellen Kommunikation gibt es nach wie vor.

Die Herausforderungen sind geblieben

Auch diejenigen, die wie ich seit Jahrzehnten in verschiedenen Kulturräumen arbeiten und leben, erfahren Herausforderungen. Die gute Botschaft ist: Je mehr man sich mit dieser Thematik vertraut macht, reflektiert und lernt, umso mehr gelingt die interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit. Durch die Erfahrungen UND die Reflektion ändert sich das Mindset und es entstehen mehr Handlungsoptionen!

Was heißt das im Konkreten? Wie schafft man es denn nun, „international fit“ zu werden? Vielleicht haben Sie sich ja auch einmal diese Frage gestellt? Die Kulturforschung hat sich mit dieser Frage beschäftigt und ich will Ihnen nachfolgend aus den Ergebnissen die drei – aus meiner Sicht – wichtigsten Bedingungen nennen:

1) Bleiben Sie neugierig und respektvoll

Neugierde, Offenheit und Respekt für eine andere Kultur ist Gold wert. Jeder wird spüren, dass Sie Interesse an Kultur und Menschen haben. Sie werden mit dieser Haltung viel mehr bereichernde Erlebnisse haben. Voraussetzung ist immer, dass Sie die Länder auch mit Interesse bereisen und nicht nur „weil Sie es beruflich müssen.“

2) Üben Sie Ambiguitätstoleranz

Der Mensch an sich urteilt negativ, wenn er eine Verhaltensweise nicht eindeutig zuordnen kann oder nicht versteht. Wer international wirkungsvoll und zufrieden sein will, wird Ambiguitätstoleranz lernen müssen. Das heißt für Situationen, die vieldeutig sind, auch Vieldeutigkeit zulassen. Akzeptieren, dass in dem Moment keine eindeutige Interpretation vorhanden ist.
Falls Sie nun sagen:“Uff, das ist doch schwer.“ Ja, ich stimme Ihnen zu. Das kann ganz schön schwer sein. Es ist aber auch eine tolle Erfahrung. Und Sie können auch lernen daran Gefallen zu finden. Versuchen Sie es einfach!

3) Trainieren Sie sich in Frustrationstoleranz

Selbst, wenn Sie bereits jahrelang erfolgreich international tätig sind, können Sie sich immer wieder in frustrierenden Situationen wiederfinden.
Gehen Sie davon aus, dass Sie aufgrund des kulturellen Codex, mit dem Sie aufgewachsen sind, immer auch Situationen erleben werden, die Sie als enttäuschend empfinden. Ein Grund für solche Erlebnisse kann sein, dass Sie vielleicht immer noch eine andere Erwartungshaltung an die Kommunikation, Verhaltensweisen oder Rituale haben als Ihre Gesprächspartner in dem jeweiligen Land. Maßgeblich ist hier insbesondere, ob Sie die Werte in dem Zielland bereit sind zu respektieren.

Beispiel aus der Praxis

Gerne möchte ich dies an einem Beispiel verdeutlichen. Ich hatte vor einiger Zeit eine Führungskraft aus der Automobilindustrie im Expatriate Coaching. Diese Führungskraft kam gerade von einem 3jährigen beruflichen Aufenthalt aus den USA zurück nach Deutschland. Der Arbeitgeber bot der Führungskraft einen Tag interkulturelles Coaching bei mir an, was die Führungskraft annahm. In unserer Coaching Session sagte er gleich zu Beginn:“Ich weiß zwar nicht, wozu das hier jetzt gut sein soll, aber lasse mich gerne überraschen. Schaden kann es ja nicht. Wissen Sie, ich war jetzt in den USA sehr erfolgreich. So schwierig kann das jetzt mit den Asiaten auch nicht werden.“ Für diese Führungskraft stand bereits der nächste Expat Aufenthalt in Asien bevor.

Ihm wurde bereits zu Beginn unserer Session bewusst, dass er unter anderem deshalb „ein guter Fit“ für die amerikanische Kultur war, weil er bestimmte Verhaltensweisen mitbrachte, die es für ihn im amerikanischen Kulturkreis einfach machten. Er war ein eher direkter bis forscher Typ, aber auch humorvoll. Defintiv ein Macher und eher ungeduldig. Aspekte, die man in der amerikanischen Kultur eher schätzt.

Es wurde ihm schnell klar, dass er mit seiner Verhaltenspräferenz nicht auf dieselbe Akzeptanz und Zustimmung in Asien treffen wird. Im asiatischen Kulturraum gehört zur Etikette die Kunst der indirekten Kommunikation. Der Aspekt der Gesichtswahrung ist dabei ein zentrales Element. Auch die unterschiedlichen Aspekte bzgl. Hierarchie und Erwartungshaltung an Führungskräfte könnten für ihn eine „challenge“ werden.

Aufbauend auf dieser Erkenntnis arbeiteten wir mit konkreten Fallbeispielen und reflektierten mögliche Verhaltensalternativen. Dabei lernte er, was mögliche Fettnäpfchen sind und welche Haltung er braucht. Seine eigentliche Aufgabe im Anschluss an unsere Session begann natürlich erst mit dem Umzug, dem Start in einer neuen beruflichen Rolle, in einem neuen kulturellen Umfeld. Allerdings hatten wir in unserer gemeinsamen Arbeit die Leitplanken dafür gelegt.

Sein Fazit am Ende des Tages:“ Hätte ich doch einen solchen Tag schon vor meinem USA Aufenthalt gehabt.“

Resümee

Der Coachee hatte viele neue Einblicke über sich selbst bekommen. Das ist grundsätzlich der erste und sehr wirksame Bestandteil eines interkulturellen Coachings. Erst der zweite Schritt bezieht sich auf interkulturelles Wissen. Und darauf als dritten Baustein das Erlernen von neuem Verhalten.

Klassischerweise gibt es für diese drei Steps ein 1tägiges Einzelcoaching. Teilweise ist es sinnvoll, ein oder zwei weitere Sessions während des Auslandsaufenthaltes durchzuführen. Der Coachee hat sein Rüstzeug in der Coachingsession erhalten, und kann so mit einem frischen, neuen Blick auf sich und auf die Welt, seine Erfahrungen in der neuen Kultur machen.

Man braucht kein Kulturforscher zu sein, um zu erahnen, was es braucht, um in einem anderen Land erfolgreich zu sein. Es ist wichtig, die Werte und lokalen Verhaltensweisen zu respektieren. Dies gilt für den Expatriate genauso wie für den Touristen oder den Asylsuchenden.

Ohne die Grundhaltung des Respekts kann man nicht „erfolgreich“ sein, wobei sich Erfolg hier auf ganz unterschiedliche Bereiche wie privat Ankommen, Integrieren, berufliche Zielsetzung bezieht.

Wer auch immer aus welchem Kulturkeis in einen anderen zieht, wird so oder so die Kulturschockphase durchlaufen. Diese kann manchmal sehr gering ausfallen, manchmal aber auch sehr ausgeprägt sein und etwas länger dauern. Dies ist sehr abhängig davon, wie groß die Differenz zwischen den eigenen Werten und denen der Zielkultur ist. Die Kulturschockphase ist eine „normale“ psychologische Reaktion von Menschen, da sich die eigene Identität plötzlich ein Stück weit orientierunglos fühlt und Orientierung braucht.

Wollen Sie die wunderbare Chance eines Auslandsaufenthaltes nutzen um als reifere Persönlichkeit daraus hervorzugehen, dann sind Respekt, Offenheit, Neugierde, Ambiguitätstoleranz sowie eine hohe Frustrationstoleranz notwendige essentielle mentale Begleiter für Sie. Wer sich wirklich einlassen will auf ein anderes Land, auf eine andere Kultur, wird mit diesen Kompetenzen gute Erfahrungen machen.

Der Weg, um „international fit“ zu sein, kann herausfordernd sein. Aber auch eine grosse Bereicherung. Ich habe es immer geliebt. Wenngleich es nicht immer einfach war. Nichtverhandelbare Bedingung: sich auf die neue Kultur einlassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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