Prolog
Muss eine Führungskraft charismatisch sein? Ich behaupte nein. Ganz im Gegenteil, ich halte das für gefährlich und will gerne mit dem Mythos Charisma hier ein bisschen aufräumen, auch wenn das manchem wahrscheinlich nicht gefallen mag.
Wahrscheinlich ist Ihnen der Begriff schon häufiger begegnet.
Insgesamt wird die Diskussion zu diesem Thema ja sehr einseitig geführt.
Steht doch insgeheim die Vorannahme im Raum, dass Charisma gut ist, wenn nicht sogar notwendig.
Fragen Sie sich doch bitte selbst einmal: wie würden Sie jemanden beschreiben den Sie als charismatisch wahrnehmen?
Die Attribute die hier am meisten genannt werden sind:
- redegewandt
- inspirierend
- visionär
- einnehmend
Vor vielen Jahren nahm auf einmal dieser Begriff „Charisma“ Einzug in die Management Diskussion. Und zwar mit dem Tenor: Führungskräfte sollten eben charismatisch sein. Und plötzlich erschienen ganz viele Publikationen dazu, was denn Charisma auszeichnet und natürlich sind von heute auf morgen Charisma Coaches auf der Bühne erschienen.
Ich wähle den Begriff heute deshalb, weil es mich wirklich mittlerweile anwidert wie fahrlässig mit diesem Begriff umgegangen wird. Denn de facto können charismatische Führungspersönlichkeiten gefährlich und kritisch für ein Unternehmen sein.
Ich selbst habe auch Führungspersonen kennengelernt, die man als charismatisch bezeichnen kann und habe häufig gesehen, dass sich viele von diesem Typus angezogen fühlen. Allerdings bleibt häufig danach ein schaler Geschmack übrig. Denn es ist nun mal häufig viel Rauch um nichts. Das muss nicht natürlich nicht für jeden charismatischen Typ gelten.
Wirkung von Charisma
Mir sträuben sich schon immer die Nackenhaare, wenn ich den Begriff „Charisma“ höre, da dieses Thema eben sehr einseitig betrachtet wird. Als charismatisch wird allgemein jemand verstanden, der es schafft aufgrund seines Auftretens, seiner Wirkung und seiner Kommunikation andere in den „Bann“ zu ziehen. Wer charismatisch wahrgenommen wird, erhält mehr Sympathie. Besonders interessant ist dabei, dass diejenigen in der Regel auch weniger streng bewertet oder kritisiert werden. Das sehen wir beispielsweise auch an Persönlichkeiten wie Barack Obama und es gibt viele weitere Beispiele.
Hier will ich auch eine Studie zitieren, die von der WHU zu diesem Thema gemacht wurde. Das Resultat zeigte, dass Mitarbeiter von charismatischen Führungskräften sich nicht trauen, sich offen zu äußern. Das heißt die Gefahr von emotionaler Erschöpfung und weniger Austausch, weniger Zufriedenheit steigt damit. Denn die Aussagen von charismatischen Führungskräften werden eher nicht hinterfragt. Mitarbeiter sind also in ihrem Urteilsvermögen eingeschränkt. Dass das nicht gut sein kann für ein Unternehmen liegt auf der Hand.
Genau das habe ich mehrfach bei einigen Unternehmen selbst erlebt, mit denen ich in den letzten Jahren gearbeitet habe. Mit genau diesem Effekt: Mitarbeiter haben mit hoher Begeisterung gestartet. Sie waren dann auch bereit viel mehr zu leisten, haben die Anforderungen auch nicht hinterfragt. Übrig blieb nach einiger Zeit: hohe emotionale Erschöpfung bis hin zu Burn outs und bei vielen schlichtweg auch Enttäuschung.
Charisma verführt. Charisma blendet und sagt nichts über die Leistung aus. Charismatische Führungspersonen sind selten diejenigen, die ein Unternehmen nach vorne bringen. Ja, charismatische Personen können inspirierend und visionär wirken. Sie sind allerdings auch häufig unberechenbar und werden rigide, wenn es nicht nach ihrer Fasson läuft.
Charisma ist ein kritischer Aspekt, und die Frage stellt sich: warum bin ich bereit dieser Person zu „folgen“.
Gute Führungskräfte, gute Leader, gute Führer haben eher selten auch Charisma, stattdessen schaffen sie Vertrauen durch ihre Kompetenz, ihre Leistung und ihre Glaubwürdigkeit! Schlüsselpositionen brauchen Substanz, wenn Charisma dazukommt, schön. Aber das ist keine notwendige Zutat.
Der Heldenmythos
Es scheint eine Neigung von Menschen zu sein, das Rationale zu romantisieren. Das gilt auch und insbesondere für den Bereich der Führung. Die Romantisierung des Themas „Führung“ zeigt das ganz deutlich.
In der Literatur und in der Geschichte gibt es viele Beispiele dafür. Und im Bereich Führung fällt Ihnen bestimmt genau der Name ein, der in den letzten 10 Jahren mit am meisten gehyped wurde: Steve Jobs. Wer in den Heldenstatus erhoben wird, dem verzeiht man meistens seine Schattenseiten bzw. diese werden meist unter den Teppich gekehrt und selten genannt. Dass beispielsweise Steve Jobs sehr kritische Charaktereigenschaften hatte und es schwierig war mit ihm zu arbeiten, davon haben Sie wahrscheinlich selten gehört.
Übrigens ist es psychologisch so, dass je weniger für uns jemand greifbar ist als Mensch, umso größer ist das Potenzial des Heldenmythos.
Brauchen wir denn als Erwachsene „Helden“? Eine besondere Form von Führung wird ja gerne mit Heldentum in Verbindung gebracht.
Die Sympathie und die Faszination für Heldentum ist wahrscheinlich archaisch und liegt in der menschlichen Natur. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir nicht auch unseren Verstand gleichzeitig einsetzen sollten um ab und zu hinterfragen, ob das denn gut und sinnvoll ist. Ganz im Gegenteil ich appelliere daran, gerade dann umso mehr den Verstand einzusetzen, wenn Sie das Gefühl haben jemand zieht Sie ganz besonders in den Bann.
„Echte Führer haben nie Charisma“
Das ist ein Zitat von Prof. Fredmund Malik, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema Leadership beschäftigt. Nach meinen Erfahrungen aus 20 Jahren Beschäftigung mit dem Thema Leadership kann ich das nur bestätigen.
Malik sagte darüberhinaus „Echte Führer führen durch Selbstdisziplin und durch Beispiel, nicht durch große Slogans und Hurra Geschrei. Nicht Charisma ist ihr Kapital, sondern Vertrauen.“
In diesem Sinne sind das meine abschliessenden Worte für diesen Blog. Ich freue mich, wenn ich damit ein wenig Ihre Gedanken angeregt habe.
Uns allen wünsch ich in diesem Sinne für die politische Ebene wie für die Unternehmenswelt ein neues Jahr mit weniger charismatischem Geplänkel aber dafür mit mehr Substanz und Zukunftsfähigkeit.
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