„It Takes two … „
Der bekannte Songtitel von Marvin Gaye lässt sich auch auf das Recruiting übertragen. Immer mal wieder berichten mir Kunden von vakanten Stellen und dass es nicht viele Bewerber gibt. Und auch dass die Qualifikationen fehlen.
Jetzt könnte man sagen, nichts Neues im Westen. Davon wird überall berichtet und ist nun mal ein Thema in Deutschland, das über zu viele Jahre politisch versäumt wurde anzugehen.
Versäumnisse auf Arbeitgeberseite
Dennoch will ich hier auch einmal ein paar Aspekte nennen, die mir immer mal wieder auf Arbeitgeberseite als Versäumnis auffallen. Um Ihnen, sofern Sie sich bei dem ein oder anderen Aspekt ertappt fühlen, einen Impuls zu geben, dass Sie sehr wohl einiges tun könnten – wenn Sie denn wirklich neue Mitarbeiter haben wollen.
- Bewerbungen bleiben liegen und werden erst nach Wochen beantwortet. Häufig mit dem Argument: zuständige HR Person war krank, im Urlaub oder sonstiges. Ein No Go!
Wenn ich als Bewerber erst nach Wochen eine Rückmeldung erhalte, bin ich längst bereits in anderen Gesprächen, habe evtl. auch bereits eine Entscheidung getroffen. Und vor allem habe ich den Eindruck, wenn man Dinge bereits mit Bewerbern so schleifen lässt, dann werden sich die zähen Prozesse wahrscheinlich auch in der Zusammenarbeit zeigen.
- Wenn dann Gespräche stattfinden mit Bewerbern, sind diese wenig strukturiert, kaum vorbereitet. Es gibt nach wie vor – Pardon – viel zu viel Blabla. Und auf konkrete Fragen der Bewerber gibt es unklare, vage Antworten. Am Ende ist der Bewerber mehr oder weniger genau so schlau wie vorher. Das gilt allerdings auch für den potentiell neuen Arbeitgeber. Denn ohne Vorbereitung für solche Gespräche wird auch ein Arbeitgeber nicht die Dinge erfahren, die wichtig sind.
Dies wurde mir übrigens von Top Führungskräften berichtet, die sich selbst auf die Suche nach einer neuen Position gemacht haben. Es ist ein Thema, das sich unabhängig von der Hierarchieebene zeigt.
- Time is money. Ja, das ist so. Dennoch oder gerade deshalb gilt es im Bewerbungsprozess sich die Zeit zu nehmen für die Gespräche. Es ist ein Dialog und kein Monolog. Und auch Pünktlichkeit ist ein Thema.
Wer sich hier nicht die notwendige Zeit nimmt, darf sich nicht wundern, dass a) der Bewerber sich nicht wertgeschätzt fühlt und b) nicht die wesentlichen Aspekte für beide Seiten geklärt wurden und danach die Überraschung groß ist, wenn die Erwartungen bei einer Anstellung auseinander liegen. Hmm, dumm gelaufen. Ja, das war absehbar dass es dumm läuft.
- Als vierten Punkt will ich noch erwähnen die mangelnde Interview-/Dialogfähigkeit von vielen Führungskräften. Fragekompetenz zu entwickeln gehört eh in das Repertoire einer Führungskraft. Hier geht es darüberhinaus darum, Fragen zu entwickeln, die für ein Interview relevant und passend sind.
Fragen, die Sie besser nicht stellen sollten
Und jetzt will ich darüberhinaus auch einmal ein kleines Sammelsurium an Fragen aufführen, die ich in den letzten Jahren mitbekommen habe, die Sie besser nicht stellen sollten:
- Sind Sie denn qualifiziert für diese Funktion?
Welche Optionen gibt es hier für den Bewerber darauf zu antworten. Ja oder nein. Denn es ist eine geschlossene Frage.
Ein souveräner Bewerber würde den Ball zurückspielen und fragen:
Welche konkreten Qualifikationen erwarten Sie denn für diese Funktion?
Oder der Kandidat gibt ein klares Statement darüber, weshalb er der geeignete / qualifizierte Kandidat ist. Ein selbstbewusster Kandidat kann hier so oder so punkten, denn er wird alles aus dem Register ziehen, was er im Angebot hat. Und darüberhinaus auch das, was Sie wahrscheinlich hören wollen. - Ich brauche hier jemanden, der flexibel ist und ein Teamplayer. Sind Sie das?
Bei Suggestivfragen geben Sie implizit die Antwort bereits mit auf den Weg. Sie sagen direkt aus, was Sie suchen, damit ist die Erwartung an den Bewerber klar formuliert. Falls Sie jemanden vor sich haben, der einfach einen neuen Job braucht, wird derjenige so oder so mit “ja” antworten. Das ist nicht sinnvoll. - Sind Sie ein Teamplayer?
Auch hier gilt: bei geschlossenen Fragen gibt es ein ja oder ein nein als Antwort. Die meisten Interviewenden Fragesteller erwarten hier eine ehrliche Antwort und sind nicht geschult in Fragekompetenzen. Wenn es hier ein “Ja” als Antwort gibt, häufig noch unterlegt mit einem ergänzenden Satz wie “ich hab immer in Teams gearbeitet und das ist selbstverständlich” oder sonstigen Sätzen, dann ist auch das nicht hilfreich und schafft keine Klarheit über die Passung des Kandidaten. Auch hier wird mit der direkten Frage bereits suggeriert, was die Antwort sein sollte. Die Antworten auf eine solche Frage sind in der Regel nichtssagend und nicht wirklich zu verwerten. - Was würden Sie denn tun, wenn … ?
Nicht selten erlebe ich, dass Führungskräfte dazu neigen, hypothetische Fragen zu stellen. Per se sind hypothetische Fragen ein gutes Instrument und sind ein Hinweis, dass sich die Interviewer bereits mit Fragetypen beschäftigt haben.
Die Frage ist nur: wann und wozu ist denn eine hypothetische Frage sinnvoll?
Wenn Sie einen Bewerber mit Berufserfahrung interviewen wollen Sie keine fiktiven Antworten „was wäre wenn … „, sondern Sie brauchen klare Erfahrungswerte. Was konkret und wann und mit welchem Ergebnis hat der Bewerber bzgl. Thema xyz selbst erlebt bzw. umgesetzt.
Und falls Sie jetzt sagen, ja, liebe Frau Barho, das ist mir doch alles schon bewusst, aber was wir brauchen sind erstmal Bewerber, wir haben zu wenig Bewerber.
Dann gibt es auch da einiges was Sie tun könnten. Auch hier gäbe es einige zu tun. Viele Führungskräfte haben keine Idee wie Sie sich hier besser aufstellen könnten.
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