Perfektion ist per se eine gute Sache. Wenn wir uns ein Ziel setzen bzw. eine Aufgabe vor uns haben und diese bestmöglichst ausführen wollen.
Damit werden Spitzenergebnisse erreicht und diese intrinsische Motivation kann uns enorm beflügeln.
Jetzt kommt das kleine „aber“, das bei nicht wenigen zu einem großen „aber“ werden kann.
Perfektionismus kann für viele Führungskräfte schädlich sein.
Warum ist das so?
Wer sich bei allem, in jeder Aufgabe, in jeder Situation seinem Perfektionismusdrang aussetzt, verursacht damit einen Dauerdruck und negativen Stress.
Alles „muss“ perfekt sein. Daraus entsteht sehr schnell ein Kontrollzwang.
Leichtigkeit gibt es da nicht.
Egal um was es geht, es ist einfach nie gut genug.
Wer einiges erreicht hat, hat häufig auch mehr Angst das zu verlieren, was er erreicht hat. Daher leiden nicht wenige Führungskräfte unter Versagensangst. Damit verbunden ist die Sorge, dass der eigene Status, das Ansehen und die Anerkennung durch andere verschwinden könnte. Oder sich eben reduzieren könnte.
Im worst case führt dann der innere Druck immer perfekt sein zu müssen dazu, dass diejenigen an ihrem Selbstwert beginnen zu zweifeln und damit auch andere psychische Probleme beginnen.
Behind the scenes
Vor einigen Monaten begann ich die Zusammenarbeit mit einer Top Führungskraft aus Paris. In unserem allerersten Gespräch sagte er mir:
„I m a Micromanager. I m a perfectionist. And I don´t want to change this.
But I want to become a smart Leader.”
Eine schöne Herausforderung, die nicht selten vorkommt.
Ich schätze ihn sehr als Mensch und als Führungskraft. Er ist sehr kompetent und sehr ambitioniert, was natürlich nicht überraschend ist. Aber er ist nicht nur zielorientiert sondern hat auch die Menschen im Blick.
Er hatte während unserer Zusammenarbeit für sich festgestellt, dass er sich den Druck selbst macht. Und dass dieser Druck ein Kontrollzwang ist. Den er garnicht nötig hat. Und der nicht nur ihm selbst zu schaffen gemacht hatte. Sondern auch negativ auf sein Umfeld wirkte.
Wir haben mittlerweile einige Meilensteine erreicht und er ist einer der smartesten Führungspersonen, die ich je getroffen habe.
Dass das Mikromanagement für ihn plötzlich nicht mehr erstrebenswert war, liegt auf der Hand. Wer sich einmal bewusst gemacht hat, wo die eigenen Antreiber und Triggerpunkte liegen und was diese verursachen, der kann garnicht mehr anders, als seine beste Version entwickeln und die alte Version hinter sich lassen.
Er hat nun eine innere Flexibilität, die er vorher nicht hatte. Er hat für sich gelernt, eine Wahl zu haben, wo Perfektionismus angebracht ist und wo nicht. Und auch sein Mikromanagement gehört der Vergangenheit an. Sein Umfeld ist dafür sehr dankbar. Denn zu Gesund Führen gehört nun mal kein Mikromanagement.
Das ist der berühmte innere Raum, den Viktor Frankl einmal so wunderbar beschrieben hat.
Das hat natürlich auch eine Auswirkung auf sein Verhalten gegenüber anderen. Er weiß nun, wie er sich selbst und anderen Raum geben kann. Mitarbeiter fordern und fördern kann. Er ist per se jemand, der immer eine hohe PS auf die Straße bringt. Daran wird sich auch nichts ändern. Allerdings ist er nun in der Lage flexibel zu agieren, bewusste Entscheidungen zu treffen, auch in die innere Ruhe zu kommen, nicht mehr die Getriebenheit als normal zu betrachten.
Sehr gesund.
Wenn ich ihm heute sage, was sein anfängliches Statement war, schmunzelt er. Mit diesem hatte er zunächst klar signalisiert: Veränderung wäre schon nicht schlecht, aber auf keinen Fall will er sein Verhalten ändern. Das ist übrigens nicht so ungewöhnlich, dass man selbst Widerstand gegenüber der eigenen Veränderung hat.
Perfektionismus hat per se einen guten Ruf
Wahrscheinlich haben Sie den folgenden Satz auch schon das ein oder andere Mal gehört:
„Also ich bin Perfektionist und ich kann nicht anders.“
Das heißt mit anderen Worten, diese Person ist dem eigenen Antreiber Perfektionismus ausgeliefert und definiert somit auch die eigene Identität über den Perfektionismus.
So ähnlich war das bei meinem Kunden auch. Und er ist damit kein Einzelfall.
Wer ein solches Statement macht, übergibt sich freiwillig dem Autopiloten, hat das Steuer damit aus der Hand gegeben und schafft es nicht aus innerer Freiheit heraus die jeweilig beste Entscheidung zu treffen. Das heißt es gibt keine Flexibilität, keinen Verhaltensspielraum. Versagensangst.
Ein Problem für viele ist es, dass Perfektionismus einen guten Ruf hat bzw. irgendwie doch ein gewisses Ansehen genießt.
Wenn wir anderen sagen, wir sind perfektionistisch, dann gibt es vielleicht eine Prise Mitgefühl, aber wir können auch ziemlich sicher sein, dass wir implizit oder explizit Anerkennung bekommen. Denn perfektionistisch zu sein wird nun mal eher als etwas Positives betrachtet.
Jetzt habe ich zuvor ja das Fallbeispiel eines Kunden beschrieben. Da war der Perfektionismus und das Mikromanagement, beides sehr stark ausgeprägt.
Bei vielen Menschen ist es eher so, dass sie zur Kategorie gehören: sie sind ein bisschen perfektionistisch.
Aber es gibt eben auch sehr stark ausgeprägte Formen.
Für diejenigen und, nicht zu vergessen, für deren berufliches wie privates Umfeld kann das dann schon ziemlich anstrengend werden, da sie ihre Ansprüche auf andere projizieren. Da kann sowohl die Zusammenarbeit schwierig werden aber auch private Beziehungen werden kritisch.
Da mir dieses Thema doch ziemlich häufig bei meinen Kunden begegnet, möchte ich Sie dazu einladen, darüber zu reflektieren: Wie häufig ertappen Sie sich oder andere denn bei der Aussage: „Ich bin nun mal ein #Perfektionist!“
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wo das für Sie gut ist und wo es für Sie negativ ist? Falls nicht und Sie lesen grade diesen Artikel, ist dies der beste Zeitpunkt um einmal darüber nachzudenken. Und vielleicht fällt Ihnen dabei das ein oder andere bereits auf.
Wer dann gleichzeitig versucht vielleicht noch etwas reuig auszuschauen aber sagt : „ich bin halt so, ich mach die Sachen genau. Kontrolle ist wichtig.“ .. dann ist das eher ein Zeichen von wenig innerer Entscheidungsfreiheit und ist nicht unbedingt gesund.
Welche Motivation steckt dahinter?
Das ausschlaggebende Kriterium hier ist, ob wir ein gesundes oder ein ungesundes #Perfektionsstreben haben. Der springende Punkt ist die Art der #Motivation.
Die #Perfektion an sich ist nicht verwerflich und nicht das Problem. Nach etwas Großartigem zu streben hat viele positive Aspekte.
Wir können allerdings die für uns richtigen Dinge tun, aber aus den falschen Motiven. Falsch nicht im Sinne von moralisch, sondern im Sinne von nicht gesund.
Perfektionismus kommt nämlich sehr häufig deshalb zustande, weil Menschen Angst haben zu versagen. Nicht anerkannt zu werden. Nicht gut genug zu sein. Und daher muss immer wieder eine Schippe draufgelegt werden. Mit enormem Energie- und Zeitaufwand.
Wenn es aus Angst geschieht, dann kann das nicht gesund sein, denn dann ist das unbewusste Motiv:
📌bin ich gut genug
📌was denken die anderen von mir
📌werde ich genug wertgeschätzt
Das kostet richtig viel Zeit, viel Energie und letztendlich ist das bei einer Führungskraft häufig der Grund, weshalb diese keine innere Ruhe findet. Nicht abschalten kann. Da nützen dann auch ein paar Sporteinheiten oder ein bisschen Yoga und Meditation nicht viel, denn der Antreiber schlägt immer wieder zu. Damit wird das gesamte Perfektionismus Paket einfach nur etwas gedimmt.
Viele Führungskräfte leiden unter ihrem Perfektionismus und dadurch unter Schlafmangel, wenig Gelassenheit und einigem mehr. Wer nicht daran arbeitet wird eher erfahren, dass die Versagensangst immer größer wird. Das lässt sich allerdings hervorragend im gemeinsamen Sparring bearbeiten. Wenn man das will.
Das Dumme ist eben, dass viele stolz auf ihren Perfektionismus sind.
Genau das wird dann ein Problem sein … irgendeine Veränderung bzw. radikal ehrlich auf sich auf sich selbst und dieses Thema zu schauen wagen viele erst garnicht. Insgeheim wissen sie nämlich, dann müssten sie das Thema ändern. Und davor wieder haben sie Angst. Die berühmte Angst vor dem Unbekannten. Was ist denn dann? Schließlich hat man sich so lange darüber definiert und die eigene Identität basiert vermeintlich darauf.
Und schließlich … solange man auf den eigenen Perfektionismus stolz ist … ändert man auch nichts daran.
Symptome eines übertriebenen Perfektionismus
Die Angst, zu versagen, Fehler zu machen, steht immer Pate bei einem übertriebenen Perfektionismus. Natürlich ist es wichtig, darauf zu achten möglichst wenig Fehler zu machen. Das gilt insbesondere für die Aufgaben, die hochriskant sind bzw. von denen Menschenleben abhängen, wie beispielsweise im Operationssaal oder auch bei Fluglotsen usw. Davon spreche ich hier auch nicht.
Wenn die Angst beim Perfektionismus übermächtig wird und zum Autopiloten mutiert, passiert häufig folgendes: (Die Liste ist jetzt nicht vollständig und es bedeutet auch nicht, dass dies immer die Folgen sein müssen, allerdings sind diese Aspekte häufig zu sehen und meist auch kombiniert)
- Die hohe Meßlatte an sich selbst, der Druck und die Angst zu versagen führt dazu, dass die hohe Meßlatte auch bei jedem anderen angesetzt wird. Mit der Folge sofort im Judging Modus zu sein bzw. im Schwarz-Weiß Denken zu landen. Entweder ist jemand „gut“ oder „schlecht“.
- Mit der Versagensangst ist auch die Angst verbunden keine oder nicht genügend Anerkennung von außen zu bekommen. Der eigene Selbstwert wird ausschließlich darüber definiert.
- Es dürfte Sie nicht überraschen: wer in diesem Modus unterwegs ist neigt zur Selbstausbeutung und neigt dazu in regelmässigen Abständen über die eigenen Belastungsgrenzen hinauszugehen.
- Ebenfalls mit im Gepäck: der eigene innere Kritiker ist ziemlich groß. Und häufig zu groß, genau deshalb muss ja noch mehr darauf geachtet werden, dass alles perfekt läuft. Dann wird es natürlich besonders schlimm, wenn von aussen Kritik kommt. Dabei kann dann schon mal jedes Wort auf die Waage gelegt werden. Kritik wird grundsätzlich persönlich genommen.
Tipps um den übertriebenen Perfektionismus zu reduzieren
Hier hab ich eine gute und eine schlechte Botschaft für Sie.
Die gute Botschaft ist: man kann seinen übertriebenen Perfektionismus reduzieren und sein Mindset und sein Verhalten so justieren, dass man damit gesund unterwegs ist. Wie genau, das schaut bei jedem Menschen anders aus.
Die schlechte Botschaft möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Ich habe es bisher kaum erlebt, dass jemand mit einem zu stark ausgeprägten Perfektionismus ohne Unterstützung seine Antreiber und sein Verhalten ändern konnte.
Was ich vielmehr erlebe ist häufig, dass Menschen mir sagen: ja, die Tipps kenn ich doch alle schon (aus dem Netz, aus Büchern, aus Podcasts ..), aber die wirken bei mir nicht.
Sie wirken ganz einfach deshalb nicht, weil sie es nicht schaffen diese bei sich anzuwenden.
Da gibt es nämlich einen fehlenden Baustein dazwischen. Und das ist der Baustein der Reflektion, des klaren Hinschauens, des radikal ehrlichen Blicks auf sich selbst: wie bin ich tatsächlich unterwegs. Dazu braucht es jemanden von außen, der hier behutsam unterstützt und challenged, damit etwas in Bewegung kommt.
Hier einmal ein paar Empfehlungen für diejenigen von Ihnen, die wissen, Sie könnten hier ein wenig justieren. Sie können sich ja beim Durchlesen selbst einmal prüfen, inwieweit diese für Sie ausreichend sind:
- Haben Sie schon einmal gemerkt, dass Sie einen Kontrollzwang haben?
Vielleicht gibt es auch Menschen, die ihnen das bereits zurückgespiegelt haben. Nehmen Sie sich vor, sich dabei zu ertappen, wenn Sie diesen Kontrollzwang zeigen. Das ist der erste Schritt um es bleiben zu lassen. - Hören Sie einfach auf, alles mehrmals zu überdenken und übermässig zu analysieren.
- Niemand kann alles alleine schaffen. Falls Sie merken, es wird zuviel: denken Sie darüber nach, wer Ihnen behilflich sein könnte und bitten Sie aktiv um Unterstützung.
- Ertappen Sie sich dabei, wenn Sie versuchen zu perfekt unterwegs zu sein.
Reflektieren Sie einen Moment: welche Angst steckt gerade dahinter? Wollen Sie es anderen recht machen, um Anerkennung zu bekommen und geliebt zu werden? Haben Sie Angst etwas falsch zu machen und Kritik zu bekommen? - Wie häufig vergleichen Sie sich mit anderen? Was machen andere besser? Wenn Sie das toll finden und davon lernen können, schön. Wenn Sie Neid spüren, fragen Sie sich ob das gut für Sie ist.
- Können Sie sich selbst gut Grenzen setzen? Und auch anderen? Wann ist „genug“ auch genug?
- Sorgen Sie regelmässig dafür, dass Ihre Hochleistungsphasen abgewechselt werden von Ruhephasen bzw. Phasen, in denen Sie sich einfach anderen Dingen widmen?
- Wie häufig schaffen Sie es, das smartphone in den off Modus zu stellen?
- Wie häufig schaffen Sie es tatsächlich, Zeiten mit Ihren Liebsten zu genießen, ohne permanent an Ihre Aufgaben zu denken? Und ohne Smartphone und laptop zu sein?
- Kennen Sie Deep Work? Falls nicht empfehle ich sich damit einmal zu beschäftigen und dies im Alltag einzubauen.
Die Liste könnte ich fortführen. Es hat vermutlich einen Grund, weshalb Sie diesen Artikel gelesen haben. Falls Sie Unterstützung brauchen, unabhängig davon in welcher beruflichen Rolle Sie unterwegs sind, kontaktieren Sie mich gerne.
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