Als Führungskraft in der inneren Balance bleiben
Stille bedeutet “innehalten”, stehen bleiben, anzukommen da wo man grade ist.
„Echte Stille“ ist bei vielen selten geworden. Die Welt ist laut. Der äußere Lärm spiegelt sich im inneren Lärm des Denkens wider. Jeden Tag verarbeiten wir im Durchschnitt ca. 60.000 Gedanken. Unfassbar, oder?
Wer zudem meint ständig erreichbar sein zu müssen, darf sich nicht wundern.
Und häufig genug gibt s ja auch viel Lärm um nichts.
Dieser permanente Lärm im Außen wie im Innen führt dazu, dass viele von uns keine innere Stille mehr haben. Stattdessen eine Menge Stress. Um diese Stille wieder zu finden und damit auch Stressabbau zu betreiben, müssen wir erstmal unseren Körper, unseren Geist und unsere Sprache beruhigen.
Stille ist Raum, den man sich gibt. Stille ist ein Luxus geworden.
Und wer ist dafür verantwortlich, dass wir uns diesen Luxus gönnen? Die Antwort dürfte bekannt sein. Und die Excuses bei so manchen kennen wir auch alle: die Kinder, der Partner, die Kunden, der Chef, die vielen To Do´s und Termine .. usw. Den Stress machen immer die anderen und die Schuld haben immer alle anderen. Dann heißt es erst recht: innehalten. In die Stille gehen. Diese wieder finden.
Ich weiß auch Sie können das. Und insgeheim wissen Sie das auch!
Warum ist denn Stille so wichtig für uns?
Stille ist für Führungskräfte aus mehreren Gründen wichtig:
1. Klarheit und Fokus: Für die meisten von uns und das gilt in besonderem Maße für Führungskräfte und Unternehmer ist es schwierig in einer lauten und hektischen Umgebung, klare Gedanken zu haben und klare Entscheidungen zu treffen. Stille ermöglicht es, Gedanken zu ordnen, abzuwägen, Prioritäten zu setzen, auch auf die eigene Intuition zu achten und strategisch zu planen. Auch das trägt zur Resilienz bei.
2. Reflexion: Von Führungskräften wird erwartet, dass sie reflektiert sind. Ein hohes Maß an Selbstreflektionsfähigkeit darf somit vorausgesetzt werden. Diese muss trainiert werden und liegt nicht allen im Blut. In die Stille zu gehen bietet den Raum für Selbstreflexion. Erst in der Stille kann über Erfahrungen, Entscheidungen und deren Auswirkungen „in Ruhe“ nachgedacht werden. Das wiederum führt zu persönlichem Wachstum und stärkt die Selbstreflektionsfähigkeit und Resilienz im Leadership.
3. Stressabbau: Der konstruktive Umgang mit Stress ist ebenfalls eine wichtige Erwartung an Führungskräfte. Anforderungen an Führungskräfte, speziell in Krisenzeiten können sehr herausfordernd sein. Stille hilft, nicht nur um Stress abzubauen, sondern auch um sich bewusst zu werden, wo eventuell justiert werden muss.
4. Kreativität und Innovation: Diesen Aspekt liebe ich ganz besonders. Bestimmt kennen Sie die Metapher vom Maler, der tagelang vor einer weißen Mauer sitzt. In Stille. Bis ihm der Impuls kommt für sein nächstes Bild. Unsere Kreativität kann dann erblühen und sich entfalten, wenn wir ihr den Raum dafür geben. Vermutlich haben Sie das auch schon feststellen dürfen. Diese macht uns enorm zufrieden, führt zu Stressabbau und zahlt wiederum auf unser Resilienz Konto ein.
5. Empathie und Zuhören: Bestimmt ist den meisten meiner Leser bewusst: wer von einem Termin in den nächsten stürzt, wird irgendwann feststellen müssen, dass die eigene Toolbox mit den sozialen Kompetenzen nicht mehr so zugänglich ist.
Dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung: Wer den ganzen Tag non-stop im Außen agiert und Entscheidungen treffen muss, verringert damit seinen eigenen inneren Raum der Flexibilität.
Stille aber schafft Raum für diese innere Flexibilität und damit für aktives Zuhören. Daher empfehle ich allen Führungskräften, sich immer wieder zwischen den Terminen einige Minuten für sich zu nehmen. Wer in der Lage ist, still zu sein und zuzuhören, kann besser auf die Bedürfnisse und Anliegen von Mitarbeitern eingehen.
6. Entscheidungsfindung: Klare fundierte Entscheidungen zu treffen ist eine der Hauptaufgaben von Führungskräften. Wer nicht in die Stille geht, um sich bewusst vorzunehmen, Entscheidungen zu treffen, neigt dazu: entweder Entscheidungen permanent aufzuschieben und auszusitzen. Oder vorschnell Entscheidungen unter Stress zu treffen ohne ausreichend abgewogen zu haben. In der Stille können Führungskräfte alle verfügbaren Informationen und Perspektiven abwägen, was zu fundierteren und überlegteren Entscheidungen führt. Klare Entscheidungen sind gesunde Entscheidungen und dienen dadurch wiederum dem Stressabbau und der Stärkung von Resilienz.
- Gesundheit: Es gibt aus den letzten Jahrzehnten zahlreiche Studien, die sich mit der Wirkung von Stille auf unser Gehirn beschäftigt haben. Bewusste Stille, die wir mit Meditation herbeiführen, führt bereits nach wenigen Monaten zu einer Schärfung unserer Sinneswahrnehmung und zu einer schnelleren Auffassungsgabe. Außerdem wird unsere Intuition dadurch verstärkt. Insgesamt führt die regelmäßige Praxis von Stille zu einer wesentlich höheren Konzentration, Zufriedenheit, inneren Ruhe, Stressabbau und mentaler Frische. Mentale Erschöpfung wird damit zum Fremdwort!
8. Vorbildfunktion: Für mich ist es immer wieder schön Führungskräfte zu erleben, die in sich ruhen, egal wie sehr es um sie herum stürmt. Ein Fels in der Brandung sein. Das ist es, was Menschen mögen, was ihnen das Gefühl von Sicherheit gibt. Wenn Führungskräfte Stille und Achtsamkeit praktizieren, setzen sie ein Beispiel für ihr Team. Dies kann eine Kultur der Ruhe und des Respekts fördern, die die Zusammenarbeit und das Engagement stärkt.
Insgesamt trägt Stille dazu bei, dass Führungskräfte effektiver, empathischer und kreativer agieren können, was letztendlich dem gesamten Team und der Organisation zugutekommt.
Es braucht regelmäßige Stille
Stille können wir überall (er-) leben, wenn wir wollen.
Wir können in einer trubeligen Stadt zum Beispiel in eine Kirche gehen und uns einen Moment sammeln und in uns gehen. Selbst hier an meinem Wohnort Palma, eine Stadt, die gerade in den Sommermonaten voll ist mit Menschen, lassen sich auch immer kleine Oasen finden. Ich mache das immer mal gerne zwischendurch, wenn ich grade viel unterwegs bin um einen Moment Stille zu genießen. Oder nutze eben nur die ruhigen Gassen und nicht die überfüllten. Oder entdecke zufällig ein ruhiges Cafe und nutze den Moment um dort ungestört einen Cafe zu geniessen.
Wir können im home office dazwischen stille Phasen einbauen oder auch 20 Minuten meditieren. Oder einfach nur für einige Momente dissoziiert aus dem Fenster schauen. Wir können einen Spaziergang zwischendurch machen und einfach in Stille sein – ohne smartphone natürlich.‘
Dann bekommen wir wieder den Zugang zu unserer eigenen inneren Stimme. Nicht umsonst sagt man: #Klarheit entsteht in der Stille.
In der Stille können wir unsere Gedanken sortieren. Sie überhaupt wahrnehmen.
Manche können Stille schwer ertragen.
Das ist meist dann der Fall, wenn man Angst hat vor dem, was da vielleicht an Gedanken und Gefühlen laut werden könnte. Solange wir uns geistig mit etwas beschäftigen und generell aktiv sind, wird es schwierig die eigene innere Stimme zu hören. Viele Menschen brauchen daher ein “Grundrauschen” um sich herum um sich abzulenken.
Wer gerade vor einer wichtigen Entscheidung steht tut gut daran, in die Stille zu gehen:
- Am besten geht das durch Bewegung in der #Natur. Unserem Gehirn fällt es einfacher sich auf die Stille der Natur einzulassen. Es ist viel leichter Klarheit zu bekommen. Lauschen Sie der Stille der Natur.
- Schalten Sie sprichwörtlich „ab“, machen Sie immer mal zwischendurch alles aus, worüber Sie Laute und Nachrichten empfangen könnten. Das ist sehr heilsam. Sie sagen Sie können das nicht? Are you sure?
- Unabhängig davon wo Sie sind, versuchen Sie im #Moment zu sein. Nehmen Sie bewusst nur das wahr, was in diesem Moment um Sie herum stattfindet. Genießen Sie diesen Moment und nehmen das Schöne daran wahr. Das öffnet die eigenen Sinne.
- Achten Sie darauf, welche Gedanken und Gefühle Sie haben. Lassen Sie diese an sich vorbeiziehen. Und nehmen Sie auch wahr, wonach Ihnen ist, und wo Sie eine deutliche Ablehnung spüren. Häufig wird uns dann etwas bewusst, was wir vorher nicht wahrgenommen haben. Beispielsweise ein Ziel, das für uns garnicht wichtig ist. Aber wir geglaubt hatten, es sei wichtig. Oder wir bekommen eine klare Antwort für etwas, das grade ansteht.
- Gewöhnen Sie sich an: wenn es um Sie herum hektisch wird, werden Sie ganz ruhig. Lassen Sie nicht zu, dass Stress und Hektik von Ihnen Besitz ergreifen. Sie sitzen im Driverseat. Sie behalten das Steuer in der Hand und nichts anderes.
- Am besten ist es die Stille für sich im Kopf und im Außen regelmäßig zu praktizieren. Wer die Qualität von Stille einmal erfahren hat, wird sie nicht mehr missen wollen.
- Wer sich zu Beginn damit schwertut ein Ritual mit Stille zu entwickeln, dem empfehle ich ein Schweigeretreat in einem Kloster. Ich selbst habe das häufiger praktiziert und kann das nur empfehlen. Es öffnet den inneren Raum. Zu Beginn am besten mit kleinen Schritten. Es gibt viele Klöster, die dies auch für einen Tag anbieten. Ich verspreche Ihnen: Sie werden das nicht bereuen.
Den inneren Raum entdecken
Eine Situation führt in Sekundenschnelle zu einem Gedanken und dieser löst sofort ein Gefühl aus. Das Gefühl oder den Gedanken können wir gut finden oder auch nicht gut finden.
Das Problem ist, dass dieser Automatismus gerade in Situationen, die wir als stressig oder kritisch wahrnehmen, so abläuft. Zumindest solange wir nicht daran arbeiten.
Wenn wir von etwas im Außen getriggert werden, dann fallen wir automatisch in einen Mechanismus. Es gibt keine Chance den Moment zwischen dem sogenannten Reiz und unserer Reaktion darauf wahrzunehmen. Wir merken meist erst im Nachhinein, dass unsere Reaktion vielleicht „daneben“ war und das Kind damit bereits in den Brunnen gefallen ist. Dabei ist es die Bewertung, die wir selbst einer Situation geben, die unser Gefühl auslöst.
Dadurch erst kann auch etwas entstehen, das Viktor Frankl so wunderbar beschrieben hat:
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
Wir müssen dieses Verhalten per se auch garnicht zu sehr verurteilen, denn schließlich ist das in unserer DNA eingespeichert. Wenn wir uns angegriffen und bedroht fühlen, dann wird innerlich der Überlebensinstinkt wach und macht sofort alles intern mobil, um uns auf Kampf oder Flucht einzustellen.
Den meisten von uns ist zumindest bewusst: das läuft innerhalb von Sekunden ab.
Es gab allerdings auch schon lange vor Viktor Frankl die Erkenntnis, dass es eben nicht der Stressauslöser ist, der unsere Reaktion bestimmt, sondern unsere Gedanken und unsere Bewertung der Situation löst unsere Reaktion aus. Unbewusst.
Wer sich mit dem Buddhismus beschäftigt, der findet auch darin genau diese Erkenntnis.
Heutzutage gibt es neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse, die uns das ebenfalls bestätigen. Wussten Sie, dass sich unsere Gehirnstrukturen verändern, wenn wir regelmäßig Stille praktizieren?
Keine Angst vor der Stille
Vielleicht kommt Ihnen die folgende Situation bekannt vor: wenn wir damit beginnen die Stille zu suchen, sind wir damit vielleicht so beschäftigt, dass wir die Stille in dem jeweiligen Moment garnicht wahrnehmen können. Aber Stille ist immer da. Wir müssen nur wieder in den inneren Zustand kommen, um diese auch wahrzunehmen.
Erwähnen möchte ich an dieser Stelle, dass die westlichen Länder – bis auf Finnland – sogenannte Redekulturen sind. Redepausen in Meetings und in Gesprächen wird keine große Toleranz gegeben. Viele werden sofort nervös, wenn es ein Schweigen von mehr als 2 Sekunden gibt.
Ganz anders wird mit Schweigen in den sogenannten Schweigekulturen umgegangen.
Da gibt es das schöne Bonmot „Wenn du redest, dann sollte dein Reden besser sein als dein Schweigen es gewesen wäre.“ Das würde ich gerne mal so einigen Menschen mit auf den Weg geben wollen.
In Japan beispielsweise aber auch in China gehört Schweigen beim Reden auch zum guten Ton. Eine Pause, nachdem jemand gesprochen hat, wird nicht nur toleriert, sondern ist auch erwünscht. Schweigen und Stille sind Aspekte der Kultur.
Angesichts dieses kulturellen Aspekts wird nochmal bewusst, dass wir im Westen auf eine bestimmte Weise konditioniert sind. Denn nicht jeder mag Stille und es mag sich „schlecht“ anfühlen. Nicht nur kulturell bedingt, sondern vielleicht auch bei dem ein oder anderen, weil Schweigen in der Kindheit als Strafe benutzt wurde. Wenn Menschen auf diese Weise als Kind ausgegrenzt wurden, liegt es auf der Hand, dass auch hier eine Barriere liegen kann, um in der Stille und im Schweigen etwas Positives zu finden.
Wir alle haben ein tiefes Bedürfnis nach Zugehörigkeit, von anderen wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Schweigen und Stille sind per se neutral. Weder gut noch schlecht. Wir können uns selbst aber nur wahrnehmen, wenn wir vor der Stille und dem Schweigen keine Angst haben.
Wer innere Freiheit und innere Stabilität haben möchte, kommt nicht drumherum, diese Stille bewusst zu suchen und bewusst im Alltag zu implementieren. Das ist garnicht so schwer wie es manchmal scheint. Aber natürlich muss man sich – das ist die schlechte Botschaft – am Anfang häufig dazu zwingen. Es geht dabei auch darum zu lernen, sich selbst auszuhalten. Klingt komisch, ist aber so. Solange, bis dies nach einigen Wochen und Monaten mehr und mehr in Fleisch und Blut übergegangen ist. Die Belohnung ist einen Zugang zu sich selbst zu haben und die Gewissheit, dass niemand und nichts einem diese innere Stabilität und innere Ruhe und Klarheit nehmen kann. Ist es das wert? Dafür gibt es nur eine Antwort.
Stille wird immer dann erlebbar, wenn wir uns öffnen für das, was ist. Akzeptanz. Wenn wir dabei lernen, uns nicht mehr in die inneren Wertungen zu verstricken. Dann werden wir auch lernen, dass Stille viel mehr ist als die Abwesenheit von Lärm. Und viel mehr ist als einfach „nur“ Stressabbau.
Probieren Sie es aus. Experimentieren Sie damit. Und seien Sie geduldig mit sich. Es braucht manchmal seine Zeit, bis unser Körper und unser Geist sich auf Stille einlassen.
Sie werden es nicht mehr missen wollen.
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